Pläne
26.10.2024
Paleokastro (Samos), GRE
Kapitel 1 Hintergrund
RAUS goes international. Aus Karrieregründen befinde ich mich temporär auf Dienstreise in Griechenland, genauer auf Samos. Seit etwa 2 Monaten lebe ich hier bereits und habe schon einen großen Teil der Insel erkunden können.
Ein günstig gelegener nationaler Feiertag erlaubt jedoch die Möglichkeit, die Insel einmal zu verlassen und sich weitere Orte in der Gegend anzuschauen.
Plan A war eine Reise nach Izmir (Türkei), dessen Planung jedoch aufgrund schwerfälliger Logistik wenige Tage vor der geplanten Abreise verworfen wurde.
So musste Plan B her. Die sich zusammengetane Reisegruppe hatte sich an diesem Punkt bereits aufgelöst, ich war jedoch gewillt, trotzdem etwas auf die Beine zu stellen. Bis ins Detail plane ich also eine zweitägige Reise nach Kos mit einem Zwischenstopp in Bodrum (Türkei), leider lasse ich mir dabei zu viel Zeit und die Tickets für die Fähre sind plötzlich nicht mehr verfügbar.
Weitere Recherchen zeigen, dass es auch eine Fähre nach Chios gibt, eine griechische Insel nördlich von Samos. Ohne groß zu überlegen wird dieses mal schnell gebucht. Fester Bestandteil der Idee in meinem Kopf war bis dahin, dass ich eine kostenlose Übernachtung in oder nahe einer der vielen, abgelegenen Kapellen warhnehmen wollte und am nächsten Tag eventuell eine Laufbahn aufsuchen möchte, um mir die Beine zu vertreten.
Auch für Berge bin ich immer offen, der höchste Berg auf Chios ist nicht unerreichbar, würde aber einen Leihwagen voraussetzen und damit eine finanzielle Großinvestition - relativ gesehen. Solche Details werden dann spontan vor Ort entschieden. Plan C stand nichts mehr im Weg.
Samstag 10:45 Uhr fährt die Fähre. Ich mache mich also vorsichtig um 8 Uhr auf den Weg zum Hafen. Busse verkehren zu dieser Uhrzeit nicht, weshalb ich mich mit meinem Gepäck an den Straßenrand stelle und warte, dass sich jemand erbarmt und mich mitnimmt. Etwa 15 Minuten und 7 Autos später hält ein griechischer Soldat, der auf dem Weg zur Arbeit war, und fährt sogar einen kleinen Umweg, um mich direkt am Hafen rauszulassen. Alles läuft wie geplant. Dort angekommen bricht das Kartenhaus jedoch zusammen, denn wie sich rausstellt, stimmt die Uhrzeit auf meiner Reservierung nicht mit der echten Abfahrtszeit überein und die Fähre ist vor etwa 5 Stunden bereits abgefahren. Unglaublich aber wahr.
Vorherige RAUS Erlebnisse haben mich aber für solche unglücklichen Notfälle mit öffentlichen Verkehrsmitteln vorbereitet und ich bleibe gelassen. Ich gehe frühstücken und denke darüber nach, was ich nun mit meiner gewonnenen Zeit anfangen soll. Zurück nach Hause? Vielleicht das Wochenende entspannt angehen? Nach einer neuen Fähre schauen? Das kommt alles nicht in Frage.
Anstatt Frust über die versagten Pläne, verspüre ich eine Erleichterung. Ich bin an nichts mehr gebunden, keine Abfahrtszeit, keine Leihwagenrückgabe. Kein Plan D. Ich würde von jedem Punkt auf der Insel jederzeit wieder ohne Probleme zurück nach Hause kommen. Ich werde mir plötzlich bewusst, dass ich nun zwei ganze Tage Zeit habe und mit bereits gepackten Sachen an einem unerkundetem Ort stehe. Der Hafen liegt im östlichen Teil der Insel am Fuße einer Reihe von kleineren Bergen, in denen ich schon länger mal laufen oder wandern wollte, dies hatte sich jedoch bis dato nicht ergeben.
Ein kurzer Blick auf die Karte zeigt ein kleines Netz an Wanderwegen und eine Handvoll kleiner Kapellen verstreut in der Hügellandschaft. Ohne ein konkretes Ziel gehe ich also los…
Kapitel 2 Gehen / Freiheit
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Raus aus der Stadt Durch kleine Gassen folge ich einem Wanderweg in der Hoffnung, dass er mich hinaus in die Natur führt.
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Naturpfad Die Vormittagssonne, leicht befestigte Wege und dorniges Gebüsch machen den Anstieg zum Abenteuer.
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Zwischenstopp Der erste kleine Gipfel ist erreicht und liefert einen Ausblick in alle Richtungen. Eine kleine Kirche bietet Schutz und wäre der perfekte Schlafplatz. Doch dafür ist es zu früh.
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Pflastersteine Dieser idyllische Pfad führt hinauf zu einer großen Klosteranlage ganz im Nordosten der Insel.
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Nachbarn Der Ausblick auf die Ostküste Samos und die Berge der türkischen Halbinsel Dilek Daglari im Hintergrund. Der Hügel ganz rechts ist das nächste Ziel.
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Technisch Die Wege hinauf werden unbefestigter und die schulterhohen Dornenbüsche erschweren das Vorankommen und testen die Belastbarkeit von Textil und Haut.
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Haus und Garten Das Ziel ist erreicht. Diese kleine Kapelle bietet den perfekten Schlafplatz. Ruhig und eingezäunt wird mich hier niemand stören.
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Ausblick Von oben wird der nächste Schritt geplant. Das Dorf Paleokastro halblinks im Bild soll es sein.
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Hungrig Vorbei an Brachland, befestigten Straßen und Schotterwegen geht es auf dem Weg zur Taverne
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Blick zurück Wieder unten angekommen erlaube ich mir einen Blick zurück auf meine Herberge für die Nacht. Ein kleiner weißer Steinturm markiert den Gipfel.
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Paleokastro Ein schönes kleines Dorf im Osten der Insel. Eine weitere Flagge und eine weitere Kirche laden zum Verweilen ein, doch zunächst muss eine Taverne gefunden werden.
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Westen Mit vollem Magen komme ich gerade rechtzeitig wieder oben an, um den Sonnenuntergang zu bewundern. Langsam verschwindet die Sonne hinter den Bergen des Ampelos-Massivs im Zentrum der Insel
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Süden Auch die Südküste der Insel wirkt im goldenen Licht des Sonnenuntergangs ganz anders.
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Warm und kuschelig Im Dunkeln richte ich mein spartanisches Bett ein. Die Wand der Kirche und die Mauer würde mich aber nicht so sehr vom Wind schützen wie erhofft.
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Gute Nacht Das bin ich. Ich schaue in die Sterne und versuche zu schlafen. Warm und kuschelig war es nicht, doch ein paar Stunden Schlaf konnte ich sammeln.
Ich gehe. Werde mir bewusst, dass mich nichts aufhalten kann. Ich habe wenig dabei, doch es ist genug, um die zwei Tage zu überleben - die Minimalanforderung ist also erfüllt. Meine Bedürfnisse beschränken sich in dem Moment auf die niedrigsten, die ein Mensch verspüren kann. Wasser, Essen, Schlafen. Es fühlt sich befreiend an, sich keine weiteren Sorgen machen zu müssen.
In meinem Kopf habe ich mittlerwile eine grobe Route, die jedoch alle 30 Minuten erweitert wird, um doch noch das eine Kloster oder den einen Aussichtspunkt mehrmitzunehmen.
Nach einem letzten etwas dornigen Anstieg erreiche ich um etwa 14 Uhr eine kleine Kirche auf einem Berg. Diese sollte es sein.
Alles fügt sich, ich verstaue das gröbste Gepäck in der Kirche und mache mich auf den Weg in das nächste Dorf, um eine Taverne aufzusuchen und mein Proviant aufzustocken.
Das Dorf Paleokastro ist wunderschön und ein absolutes verstecktes Juwel. Mit vollem Magen mache ich mich vergeblich auf die Suche nach Wasser, was mich aber nicht aus der Ruhe bringt. Eine Fanta vom Straßenrand und ein paar Flaschen in der Kirche, barmherzig bereitgestellt für durstige Abenteurer, lösen das Problem bevor es zu einem werden konnte.
In der einbrechenden Dunkelheit richte ich mein Bett für die Nacht ein.
Kapitel 3 Abpfiff
Die Sterne und der Mond erhellten die größtenteils ruhige Nacht. Durch den Wind wurde es ohne Zelt etwas frisch, doch gerade noch auszuhalten. Auch dort haben mich frühere RAUS Trips abgehärtet.
Am nächsten Morgen geht es wieder zurück in die Hauptstadt. Nach etwa einer Stunde Gehen durch den Sonnenaufgang und einem guten griechischen Frühstück, mache ich mich auf die Suche nach einem Sportplatz.
Dort angekommen sehe ich bereits die lokale Fußballmannschaft versammelt, die mir jedoch erlaubt, eine halbe Stunde zu laufen, bevor ihr Spiel anfängt. Gerne nehme ich dieses Angebot an und bleibe als Dank das ganze Spiel dort, um die Mannschaft von der Tribüne aus anzufeuern. Mit dem Schlusspfiff dieses taktisch starken 8:0 endet auch meine Reise, denn ich mache mich langsam wieder auf den Weg nach Hause. Auch hier verlasse ich mich auf den guten Willen von Fremden und werde von zwei türkischen Urlaubern und einem griechisch-afghanischem Flüchtingshelfer bis vor meine Haustür gebracht.
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Neuer Tag Über den Bergen des türkischen Festlands begrüßt mich die Sonne in den frühen Morgenstunden.
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Friedlich So wirkt die kleine Kapelle morgens. Nach einem gehörigen Läuten der Glocke verlasse ich mein neues Zuhause auch wieder.
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Finale Zwei mir unbekannte Mannschaften spielen auf dem Platz um den ich kurz davor noch meine Runden gelaufen bin.
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Ende Ein letzter Marsch um die Bucht bietet einen Blick auf die Hafenstadt Samos. Von hier sollte das Abenteuer losgehen. Das ging es auch, allerdings nicht wie erwartet.
In meiner Zeit auf Samos habe ich schon viel von der Insel sehen können, Berge bestiegen, in Wasserfällen geschwommen oder einfach die Gemeinschaft von Menschen genossen.
Doch trotz all dieser tollen Erfahrungen, blicke ich auf dieses Wochenende mit der meisten Freude zurück. Die komplette Schwerelosigkeit und Freiheit, die man in den simpelsten Abenteuern verspürt, ist schwer zu beschreiben und jedem zu empfehlen.
Weitere Bilder
Route
Teilnehmer:
- Nelson
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umwelt-bewusst.de/paleokastro